The great feats of musical exploration, from Monteverdi to Schoenberg and on to the present day, have generally been achieved under the protective umbrella of words sung (or almost sung) that, however complex was the musical process, guaranteed a meaning of some kind. Luciano Berio
 

Mehr als 100 Jahre ist es her, dass Arnold Schönberg seinen Pierrot Lunaire vorstellte und damit zur Verblüffung des Publikums die menschliche Stimme in völlig neuartigerWeise behandelte. Seither ist die Stimme von Komponisten nicht nur als Mittler für das Wort, die Bedeutung, die Botschaft, wenn man so will, eingesetzt worden, sondern als ein Instrument, mit dem experimentiert, dessen Ausdrucksmöglichkeiten und Grenzen ständig erweitert werden. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema »Stimme« durch die Programme der Salzburg Biennale 2015. Musik und Sprache, Singen und Sprechen gehen in der neuen Musik vielfältige semantische oder asemantische Beziehungen ein. Die Stimme singt, flüstert, schreit, wird elektronisch verfremdet und maskiert, bringt Resonanzobjekte zum Schwingen, vervielfältigt sich oder verbindet sich mit Instrumenten. Wie unterschiedlich zeitgenössische Komponisten mit diesen Möglichkeiten umgehen, ist in den Konzerten und Musiktheaterveranstaltungen dieser Biennale zu entdecken, vorgeführt von exzellenten Interpreten wie Daniel Gloger,Yuko Kakuta, den NeuenVocalsolisten, der Schola Heidelberg oder dem Schauspielerensemble Lucilia Caesar.

»Voices« (im Plural!) meint aber auch, dass das Festival kompositorischen Stimmen Raum gibt, die durchaus unterschiedliche ästhetische Positionen vertreten und einen Eindruck von Vielfalt und Reichtum zeitgenössischer Musik vermitteln. So stehen zwei Komponisten im Mittelpunkt jeweils eines Festival-Wochenendes, deren Arbeit verschiedener kaum sein könnte: Isabel Mundry, die in ihrem skrupulösen Schaffen immer wieder die Brücke zur alten Musik sucht und Simon Steen-Andersen, der umtriebige Klang- und Videokünstler und fantasievolle Erfinder von neuen Aufführungsformaten. Produktionen, die in vielfacher Weise Szenisches einbeziehen, theatralische Mittel benutzen oder ganz neue Aufführungsformate jenseits der klassischen Konzertsituation erproben, sind – wie bereits in den letzten Festivalausgaben– mit dem Titel szenenwechsel ausgewiesen und dürften auch ein Publikum anziehen, das nicht zum Kreis der speziell an neuer Musik Interessierten zählt.

Dazu gehört etwa die erstmalige szenisch-musikalische Bespielung des Carabinieri-Saals in der Residenz mit ATLAS –Inseln der Utopie von José Maria Sánchez-Verdú in der Inszenierung von Sabrina Hölzer oder Luna Park, eine Musiktheaterproduktion von Georges Aperghis, deren Thema die omnipräsente Überwachung im öffentlichen Raum ist. Unter dem Label focus sind Solorecitals von Künstlern zu erleben, die nicht nur erstklassige Virtuosen auf ihrem Instrument sind, sondern sich auch als Performer verstehen, ausgefeilte Programmkonzepte entwickeln und sich mit den Schwesterkünsten verbünden. Die Vokalartistin Ute Wassermann arbeitet mit dem Lichtdesigner Michael Vorfeld, David Moss ist nicht nur Stimmkünstler, sondern auch Schlagzeuger und Erzähler, Christian Dierstein hat für sein Perkussionstheater neue Werke in Auftrag gegeben und Mike Svoboda verbindet bahnbrechende Solostücke für Posaune mit den Stimmen ihrer Komponisten. Und schließlich kommt Pierre Charial nach Salzburg und verzaubert uns mit seinen Drehorgeln ...

Mein Dank gilt allen beteiligten Künstlern, sowie Förderern und Freunden, die das Festival ideell und finanziell unterstützt haben und es damit erst möglich gemacht haben.

Herzlich willkommen zur Salzburg Biennale 2015!

Heike Hoffmann